taktlos 13 in Zürich

Sonntag, 16. Juni, 20 h
Ghédalia Tazartès Solo
Ghédalia Tazartès, voice  FR

Die Musik von Ghédalia Tazartès ist geheimnisvoll, und um seine Person und seine Herkunft ranken sich unzählige Legenden. Zu ihrer Bildung hat er selbst beigetragen, indem er Texte zu einer erfundenen Musik erfand, die aus erfundenen Regionen stammt. Kein Wunder, dass er bald als nomadisierender Nordafrikaner bezeichnet wurde. Die Texte singt er in einer von ihm geschaffenen Sprache, gelegentlich auch in Französisch. Er verdichtet sie mit aufgezeichneten Sprachfragmenten aus aller Welt und gefundenen Tönen zu spannungsreichen Songs. So hat Tazartès – bevor es den Begriff gab – eine kreative Weltmusik erschaffen.

Vor einigen Jahren brachte ein Beitrag des Journalisten Nick Cain in der britischen Musikzeitschrift «Wire», der von stimmungsvollen Fotos aus Tazartès’ Pariser Wohnung begleitet war, einiges an Licht ins Dunkel. Sie zeigen Ausschnitte des Interieurs der in der Nähe der Pariser Bastille gelegenen Wohnung, die Tazartès seit 1967 bewohnt: Defekte Armbanduhren hängen an der Wand, zwei mit Plastik abgedeckte Keyboards liegen auf einem Tisch, unter dem Kinderspielzeuge gelagert sind. Ein japanischer Miniparavent steht auf einer Kommode. An einer anderen Wand hängen einige Flöten und Saiteninstrumente neben einem grossen Lautsprecher, vor dem eine afrikanische Holzskulptur zu sehen ist. Die Fotos bilden einiges ab, das in den musikalischen Kosmos von Tazartès eingezogen ist und seine Fantasie beflügelt hat. Tazartès bewegt sich bis heute jenseits von Kategorien, und seine Konzerte sind immer noch seltener als der Abdruck Christi auf dem Grabtuch.

Ausgewählte Tonträger: Ghédalia Tazartès: «Ante-Mortem», Hinterzimmer Records, 2011 / Ghédalia Tazartès: «Granny Awards», Alga Marghen, 2011 / Ghédalia Tazartès: «Jeanne», Vand’Œuvre, 2006.

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Sonntag, 16. Juni, 21:30 h

Superterz, feat. Nils Petter Molvær

Marcel Vaid, guitar/drums/electronica; Ravi Vaid, electronica; Nils Petter Molvær, trumpet/electronics; Harald Haerter, guitar; Simon Berz, drums; Chris Jaeger Brown, drums/percussion; Koho Mori-Newton, diy-instruments  CH/NO/JAP

Leidet Superterz an Schlaflosigkeit? Zumindest wirkten Ravi und Marcel Vaid etwas übernächtigt, als sie kurz vor Weihnachten an fünf Tagen im Kulturraum Perla-Mode an der Zürcher Langstrasse hellwach ihr «Insomnia»-Programm präsentierten. Die Brüder, die 2012 mit dem «Werkjahr der Stadt Zürich» ausgezeichnet wurden, haben ein umfangreiches Arsenal mit Schlagzeugen, Perkussionsinstrumenten, elektronischen Geräten aller Art in der Raummitte aufgebaut.

Mitgeholfen hat der Schlagzeuger Simon Berz, der zur Familie gehört. Als Gäste stiessen nebst anderen der Gitarrist Harald Haerter, der Perkussionist Chris Jaeger Brown und der japanische Künstler Koho Mori-Newton dazu. Letzterer hatte eine Saite quer durch den Raum gespannt und spielte darauf. Das ist nur eines seiner Do-it-yourself-Instruments. Aber das war alles im vergangenen Jahr.

Im neuen Jahr sind die zuvor erwähnten Musiker wieder dabei. Der norwegische Trompeter Nils Petter Molvær ist dazugestossen, weil er findet, die Musik von Superterz zeichne einen «wonderful flow» aus. Die federnden Beats kontrastieren mit den Geräuschen von elektronischen Kröten, die in den Geräten verborgen sind. Kalimbasounds, Anklänge an Techno sind zu vernehmen, einer wie rückwärts gespielten Snaredrum sind wehmütige Gitarrenklänge unterlegt. In die hingetupfte Klanglandschaften dringen galaktische Störgeräusche, reissen den Raum auf und entschwinden wieder diskret im Nirwana der Clicks. Die Gäste schichten verfremdete Trompeten- und Gitarrenklänge, suchen gemeinsam nach Überlagerungen und den damit verbundenen Interferenzen. Es ist expressive und gleichzeitig behutsame Musik, die aus einer benachbarten Supernova herüberwinkt.

Ausgewählte Tonträger: Superterz: «Insomnia», Unit Records, 2007 / Nils Petter Molvær: «Baboon Moon», Columbia, 2011 / Badabum (Simon Berz): «Reanimation», Unit Records, 2011.

www.superterz.ch / www.nilspettermolvaer.info / www.simonberz.ch

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Sonntag, 16. Juni, 23 h

Lee Ranaldo Band «Between the Times and the Tides»

Lee Ranaldo, guitar/voice; Alan Licht, guitar; Tim Luntzel, bass; Steve Shelley, drums  US

Wo liegt die Gemeinsamkeit der Lee Ranaldo Band mit Thurston Moores Chelsea Light Moving? Beide Bands sind nach der Auflösung von Sonic Youth entstanden. Die No Wave Band bestand zwischen Juni 1981 und Oktober 2011, wurde zunehmend «poppiger», blieb aber sperrig und schrieb Geschichte. Ihr Ende war eng mit der persönlichen Trennung von Moore und der SY-Bassistin und Sängerin Kim Gordon verbunden. Moore und Ranaldo, die beiden Gitarristen und Sänger, waren 1997 respektive 2000 mit experimentierfreudigen Trios im Rahmen des Taktlos zu hören. Seit dem Split des Power-Couples und von SY sind sie mit ihren eigenen Bands unterwegs, und auch von Gordon ist wohl noch einiges zu erwarten. In Ranaldos und in Moores neuen Quartetten besteht die Besetzung aus einem zweiten Gitarristen, Bass und Schlagzeug – wie bei Sonic Youth.

Der Gitarrist Alan Licht, ein profunder Kenner der Musikgeschichte, ist auch journalistisch tätig. Seit der Jahrtausendwende spielt er sporadisch mit Ranaldo und war schon im Projekt Text of Light beteiligt. Er gehört zu den Gitarrentüftlern, spielt oft Solo, aber auch gerne mit anderen Gitarristen wie Jim O’Rourke oder Loren Conners. Der Bassist Tim Luntzel stand mit so unterschiedlichen Leuten wie Bill Frisell, Bright Eyes, Rosanne Cash und Jenny Scheinman auf der Bühne. Er ist also wendig genug für Ranaldos Band. Jetzt bleibt noch der Schlagzeuger Steve Shelley: Der hat die Story von Sonic Youth seit 1985 mitgeprägt. Nun verästelt sich die Bandgeschichte zwar, wird aber auf spannende und überraschende Art fortgeschrieben.

Ausgewählte Tonträger: Lee Ranaldo Band: «Between the Times and the Tides», Matador, 2012 / Sonic Youth: «Simon Werner a Disparu», SYR, 2010 / Sonic Youth: «The Eternal», Matador, 2008.

www.sonicyouth.com